Ein Jahr Irland
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„Comme Je Trouve” oder „Wie ich finde” ist das Schul-Motto des Kilkenny College (KCK). Ein Motto, das ich versucht habe zu leben, als ich ein Jahr dort zur Schule gegangen bin.
Im August 2022 begann mein Auslandsjahr in Irland auf einer Boarding School. Dort durfte ich ein ganz anderes Schulsystem kennenlernen, mit Schuluniform und Gemeinschaftsbad. Am Wochenende wohnte ich bei einer Gastfamilie. Dort erfuhr ich das Leben in einer anderen Familie auf dem irischen Land. Die Stadt war 20 Minuten mit dem Auto entfernt und um das Haus herum waren Felder, Weiden und Wald. Deshalb war der Ausblick aus meinem Zimmerfenster unglaublich schön. In dem Wald bin ich mit meiner Gastfamilie spazieren gegangen. Allgemein habe ich viel mit ihnen erlebt. Am St. Patricks Day fuhren wir zum Beispiel nach Galway oder besichtigten verschiedene Museen.
Unter der Woche teilte ich ein Zimmer mit zwei anderen Mädchen und wohnte mit meinen Freunden zusammen im Internat. Ab dem Frühstück am Morgen bis zur Hausaufgaben-Zeit am Abend: es war immer jemand da, um etwas zu unternehmen oder wir hatten AGs wie Hockey oder Rugby. Grundsätzlich war das Leben im Dorm sehr besonders: Zur Weihnachtszeit dekorierten alle ihre Zimmer und machten weihnachtliche Aktivitäten. In Erinnerung geblieben ist mir auch, als jemand zu viel Deo im Gang versprühte und mitten in der Nacht einen Feueralarm auslöste. (Das hieß im Schlafanzug auf den Sportplatz). Durch dieses Konzept konnte ich sowohl das Leben im Internat als auch bei einer Gastfamilie erfahren.
Der Alltag im Internat war genau geplant. Alle Mahlzeiten waren täglich zur gleichen Zeit und wir hatten eine vorgegebene Zeit für Hausaufgaben und Lernen. Nachmittags war Freizeit; nur mittwochs mussten wir etwas außerhalb des Dorms machen. Ich war Teil der Heritage Society. Mit der haben wir viel unternommen und ich konnte noch mehr von Irland sehen.
Aber nicht nur meine Wohnsituation war besonders, sondern auch viele andere Dinge. So gab es eine Schuluniform. Für den Schulalltag bestand diese aus einer Bluse/Hemd, einem Rock oder einer Hose (das konnten alle frei entscheiden), einem Jumper (Pullover), schwarzen Schuhen und einer Krawatte für die Jungs. Wir konnten ab Schulende bis zum Abendessen tragen was wir wollten. Hier und bei der folgenden Hausaufgaben-Zeit bestand die Regel einer schwarzen Hose und einem Oberteil mit dem Schulwappen. Oft wurde die Alltags-Uniform mit der abendlichen gemischt, um zu essen und zu lernen. Wenn wir mit der Schule Ausflüge gemacht haben, zu beispielsweise Museen, mussten wir zudem den Schulblazer tragen – (fast) egal bei welchem Wetter – da wir die Schule repräsentierten.
Eine weitere Auffälligkeit im irischen Schulsystem ist folgende: Die Klausuren sehen etwas anders aus als in Deutschland. Neben dem gelegentlichen Test gibt es nur zwei große Klausurphasen, im November die Christmas-Exams und im Mai die Summer-Exams. In jedem belegten Fach werden Prüfungen geschrieben. Dafür begibt sich die Schule in einen „Exammodus”. Wir hatten keinen richtigen Unterricht, sondern durften während der Stunden frei lernen. Dies zog sich über ca. zwei Wochen. Die ganze Schule schrieb in dieser Zeit alle Prüfungen und es lag eine ganz besondere Stimmung in der Luft. So war mein Alltag in vielerlei Hinsicht anders als in Deutschland.
Hinzu kam, dass das Schuljahr, welches ich besuchte, besonders war. Das Transition Year (TY) soll auf verschiedenen Ebenen auf den Abschluss vorbereiten. Allerdings nicht so, wie man vielleicht denkt. In dem Jahr ging es darum, als Person zu wachsen. Auf dem Stundenplan standen neben Mathe und Englisch auch Long- und Short-Kurse, in denen wir viele verschiedene Dinge gelernt haben, wie Fotografie oder Holz-Arbeit sowie Dinge, die uns aufs Leben vorbereiten: Beispielsweise, wie man mit Geld umgeht oder sich bei einem Vorstellungsgespräch verhält. Außerdem fand alle zwei Wochen die sogenannte Speaker-Session statt. Hier sind verschiedene Leute gekommen, um über unterschiedliche Themen zu erzählen, über ihre eigenen Geschichten, Erfahrungen oder ganz andere Dinge. Wir mussten aber auch selber ran und haben Skills wie Vor-Publikum-Reden oder Eine-Projektarbeit-Schreiben gelernt. (Diese hatte leichte Ähnlichkeit zur Facharbeit). Zudem war es Tradition, dass das TY einen Weihnachtsmarkt organisierte, um Geld für einen wohltätigen Zweck zu sammeln.
Neben der Zeit in der Schule haben wir auch viele Ausflüge gemacht. Das Schuljahr startete mit einer Wanderung des ganzen Jahrgangs und zwei weiteren Tagen gefüllt mit Gruppen-Aktivitäten. Eine Gruppe war an der Schule, um Segway zu fahren, Bogen zu schießen und einen Selbst- Verteidigungskurs zu machen. Zur gleichen Zeit war die andere Hälfte am Strand surfen. Dadurch konnten wir uns alle kennenlernen und das TY einleiten. Später war ich auf einem Drei-Tage-Trip in Kerry (ein Teil im Westen von Irland). Dort waren wir surfen, wandern, Kanu fahren…
Über das ganze Jahr verteilt haben wir noch viele andere spaßige Aktivitäten gemacht.
Etwas, das meine Schule aber besonders machte, ist der parallele Fokus auf der akademischen Arbeit. Das ist nicht bei allen Schulen gleich. Es ist ungefähr so, als würden wir bereits in der EF mit dem Stoff fürs Abitur anfangen, um am Ende mehr Zeit zum Wiederholen zu haben und damit alles im Allgemeinen etwas weniger stressig ist. Allerdings ist die Zusammensetzung der finalen Note in Irland anders. So habe ich ein Jahr lang viel über die irische Geschichte und Wirtschaft gelernt sowie die Fächer Mathe, Biologie und Englisch belegt. Insgesamt hatte ich aber deutlich weniger Fächer als in Deutschland.
In diesem Jahr habe ich ein anderes Land und seine Kultur auf eine ganz besondere Weise erlebt, habe Kontakte geknüpft und bin mehr als einmal aus meiner Komfortzone heraus gekommen.
Wenn ich gefragt werde, ob ein Auslandsjahr zu empfehlen ist, würde ich mit „ja“ antworten. Es ist ein außergewöhnlicher Weg, über sich hinaus zu wachsen und sich selbst, andere Menschen und Lebensweisen kennenzulernen ( und nebenbei das eigene Englisch zu verbessern).
Henriette Westphal (Q1, 2024)